Zuletzt schwamm Leonie Beck ständig auf der perfekten Welle. Nach zwei Weltcupsiegen im Frühjahr war die Würzburgerin im Sommer 2023 in Fukuoka (JPN) zur Doppel-Weltmeisterin im Freiwasserschwimmen aufgestiegen, im Dezember konnte sie dann auch noch den Gesamtweltcup gewinnen. Bei den am Freitag beginnenden Weltmeisterschaften 2024 in Doha (QAT) gehört die 26-Jährige daher auch wieder zu den Medaillenhoffnungen im Team des Deutschen Schwimm-Verbandes e.V. (DSV).
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Bevor das 10km-Rennen am Samstag (08:30 Uhr MEZ im Livestream von Eurovisionsport.com oder in der gleichnamigen App) mit großem Andrang und 72 gemeldeten Frauen startet, übt sich Beck dabei in Gelassenheit.„Natürlich wird das Rennen durch den Kampf um die Olympiatickets richtig schnell und spannend. Da ich als Weltmeisterin aber nun schon für Olympia qualifiziert bin, kann ich diese WM ganz ohne Druck angehen. Ich werde natürlich versuchen, meine Titel zu verteidigen. Aber wenn es nicht klappt, ist das nicht allzu schlimm, denn Doha ist für mich nur ein Zwischenhöhepunkt auf dem Weg nach Paris“, sagte Beck im DSV-Verbandsmagazin Swim&More.
Die Top drei der WM 2023 hatten sich das Olympiaticket nämlich bereits gesichert, alle anderen Startplätze werden nun in Doha vergeben: 13 pro Geschlecht nach den WM-Platzierungen (bereinigt von den bereits Qualifizierten) und dann noch jeweils einer pro Kontinentalverband für die jeweils Besten (zudem hat Gastgeber Frankreich einen Platz sicher). Beck ist froh über diese komfortable Konstellation, die äußeren Bedingungen am Persischen Golf behagen ihr nämlich nicht besonders: Das Wasser hat nur um die 20 Grad, Neoprenanzüge sind dabei aber nicht mehr erlaubt. „Mit solchen Bedingungen kann ich mich bis heute nicht so recht anfreunden. Das ist auch typbedingt, man kann sich an kaltes Wasser nur ein Stück weit gewöhnen. Ich habe nun mal keine Fettschicht, die schützen könnte. Und meine Muskulatur wird bei Kälte immer sofort hart und fest“, erklärt Beck.
Nun gab es zwar schon Weltcuprennen am Golf, Beck konnte dort auch schon gewinnen, zum Beispiel beim einzigen Weltcup im Coronajahr 2020. Aber: „Damals hatten wir immer 18 bis 20 Grad Wassertemperatur. Damals war da dann der Neoprenanzug noch erlaubt, jetzt aber eben nicht mehr.“ Nach einer Regeländerung des Weltverbandes ist wärmendes Neopren inzwischen nur noch unter 18 Grad zulässig. „Deswegen war es mir auch so wichtig, dass ich die Olympiaqualifikation bereits in Fukuoka klarmache. Weil ich wusste, dass es in Doha kalt werden kann und ich dann womöglich geringere Chance hätte“, so Beck.
Für ihre italienischen Freund*innen geht es um alles
Becks WM-Vorbereitung verlief zum Glück planmäßig, im Januar stand dabei ein zweites Höhentrainingslager über dreieinhalb Wochen auf dem Programm, während die anderen DSV-Aktiven in dieser Zeit die Wärme Südafrikas vorzogen. Schließlich müssen sich die Aktiven aus Italien, bei denen Beck seit drei Jahren nahe Rom mittrainiert, in Katar erst noch das Olympiaticket erkämpfen. Zwar hat fast jede*r von ihnen schon eine WM-Medaille gewonnen, aber zuletzt eben nicht über die olympische Distanz. „Das Verhältnis ist aber trotzdem weiter gut, ich bin eine von ihnen. Ich freue mich für meine Trainingskolleg*innen, wenn sie erfolgreich sind – und andersherum ist es ganz genauso. Da spielt die Nationalität doch keine Rolle“, beteuerte Beck.
Als zweite Frau geht Jeannette Spiwoks für das DSV-Team an den Start. Natürlich wird die Essenerin versuchen, den zweiten Quotenplatz für Paris zu erobern. „Das Rennen wird hart, rabiat und körperbetont, jeder schwimmt um sein Leben“, umschreibt Bundestrainer Bernd Berkhahn seine Erwartungen. Nach den Eindrücken beim Vorbereitungslager in Südafrika ist er sich aber sicher: „Jeannette ist in der Lage, sich in den Top acht zu qualifizieren.“
Florian Wellbrock will den Ballast aus Fukuoka loswerden
Als Olympiageneralprobe taugt das Rennen in Doha für ihn allerdings nicht, „weil Paris ein Flussrennen mit Strömung und Gegenströmung sein wird und die Bedingungen hier nicht vergleichbar sind“. Auch für seinen Schützling Florian Wellbrock, der erst ein Drittel des geplanten Jahresumfangs von 3.900 Schwimmkilometern absolviert hat, stehe die Titelverteidigung daher nicht an oberster Stelle. „Florian ist bereits über 10km für Olympia qualifiziert, daher braucht man hier keinen Schwerpunkt zu setzen. Es geht für ihn eher darum, die Chance zu nutzen, sich vielleicht zwei Olympiastarts im Becken zu sichern“, erklärte Berkhahn auf der DSV-Pressekonferenz zu Wochenbeginn.
Anders als manch andere*r in seiner Trainingsgruppe kam Wellbrock ohne größere Ausfälle durch diese Saison (Leonie Märtens musste ihren WM-Start nach Mandel-OP sogar absagen), das stimmt Berkhahn optimistisch: „Natürlich gibt es ein bisschen Ballast für die Beckenwettbewerbe, den Florian seit der letzten Weltmeisterschaft mit sich trägt (zweimal Aus im WM-Vorlauf, d.Red.). Wir werden sehen, ob er da gut durchkommt diesmal. Ich habe bei den Belastungsparametern ein bisschen was umgestellt, wir haben auch die Mentalarbeit verstärkt. Wir hoffen, dass er damit stabiler ist beim Übergang ins Becken. Es wird wahrscheinlich zwar noch schwieriger sein als in Fukuoka, weil durch die kühlere Wassertemperatur physiologisch und auch neurophysiologisch mehr zu tun ist. Aber ich denke, wir sind besser aufgestellt als beim letzten Mal.“ Und schon da schwammen Wellbrock und auch Oliver Klemet (Bronze über 10km) allen davon.