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„Die Veranstalter in Paris sollten einen Plan B haben“

Freiwasserschwimmen
04.07.2024 Kategorie: Freiwasser, Verband

Weltmeister Florian Wellbrock (l.) und der WM-Dritte Oliver Klemet mit ihrem Trainer Bernd Berkhahn ©Jo Kleindl

In gut drei Wochen beginnen die Olympischen Spiele in Paris (FRA/26. Juli – 11. August). In der ersten Woche stehen dabei die Wettbewerbe im Schwimmen an, in der zweiten dann auch Rennen im Freiwasser. Bundestrainer Bernd Berkhahn betreut in seiner Magdeburger Trainingsgruppe gleich mehrere Medaillenhoffnungen für beide Bereiche. Im Interview spricht der 53-Jährige über die Vorbereitung seiner Aktiven.

Wenn bislang nicht einmal das Team des Olympiagastgebers Frankreich wie geplant in der Seine trainiert hat, auch der Staatspräsident und die Bürgermeisterin ihr angekündigtes Bad im Fluss immer wieder verschieben, mit dem sie der Welt beweisen wollten, wie sauber er geworden ist: Was geht bei solch unsicheren Vorzeichen vor in einem Trainer, der weiß, dass das wichtigste Rennen seit drei Jahren ansteht?

Bernd Berkhahn: Das Rennen in der Seine ist von seinen Ansprüchen eine große Herausforderung. Dies gilt es im Training mit großem Aufwand vorzubereiten. Ich hoffe, diese Mühen waren nicht umsonst. Außerdem möchte ich das Rennen natürlich auch gerne in diesem Ambiente erleben.

Wie eng stehen Sie in Kontakt mit dem Weltverband und den Gastgebern, um immer die neuesten Infos über die Wasserqualität einzuholen?

Es gibt regelmäßig Meetings mit neuen Informationen. Außerdem erhalten wir mit circa einer Woche Verzögerung die Daten zur Wasserqualität.

Sie sind auch im Triathlon aktiv und vernetzt. Inwiefern kann das helfen, da bei Olympia bekanntlich erst die Rennen im Triathlon anstehen, die auch in der Seine beginnen?

Für die Sportart Triathlon ist die Situation etwas entspannter, weil der Wettbewerb auch als Duathlon ausgetragen werden kann. Das wäre nicht so ungewöhnlich. 

Welche Gedanken macht sich ein Trainer zu den Bedingungen, die aktuell herrschen? Schließlich wurden Auffangbecken für viel Geld errichtet. 

Stand jetzt wird das Auffangbecken für das verunreinigte Wasser noch nicht genutzt. Es hat auch keinerlei Einfluss auf Strömungsgeschwindigkeit oder Wassertemperatur. Beides ist abhängig von den Niederschlägen. Stand jetzt wäre eine Austragung in der Seine nicht möglich, weil die Strömungsgeschwindigkeit bei 2m/sec liegt. Da kommt man zwar schnell stromabwärts, aber nicht mehr zurück.

Paris will eine beeindruckende Kulisse bieten, aber auch sonst ein Freiwasserrennen ohne Beispiel. 800 Meter geradeaus mit Strömung, dann zwei Wendebojen und 800 Meter zurück gegen die Strömung – was heißt das aus fachlicher oder taktischer Sicht? Worauf kommt es an? Wie bereitet man so etwas im Training vor? Gibt es Aktive, denen das eher liegen könnte?

Die vorhergesagte Strömung soll bei 0,2-0,3m/sec liegen. Diese kann man zur normalen Schwimmgeschwindigkeit (liegt über 10km sonst bei durchschnittlich rund 1,55 m/sec, Anm. d. Red.) addieren beziehungsweise subtrahieren. Kraftausdauer ist bei diesem Wechsel der Bedingungen mit entscheidend. Und ebenso die Schwimmtechnik. 

IOC-Präsident Thomas Bach sprach gerade erstmals über eine mögliche Verlegung des Freiwasserschwimmens in das Ruderbecken. Würden Sie sich wünschen, dass es einen Plan B für ein Rennen an einem alternativen Ort gäbe? 

Ganz sicher sollten die Veranstalter einen Plan B haben. 

Florian Wellbrock und Oliver Klemet sind von den körperlichen Voraussetzungen sehr unterschiedlich – wie wirkt sich das aus bei diesem Sport? 

Der größte Unterschied sind sicher die Schwimmfrequenzen. Oliver benötigt eine deutliche höhere Frequenz, um das gleiche Tempo schwimmen zu können. Außerdem hat Florian größere Körpermaße, was ein Vorteil in Zweikämpfen sein kann.

Oliver bestreitet auch vorab ein Beckenrennen über 400m, verzichtet aber auf einen 800m-Start – wie läuft so eine Entscheidungsfindung ab? Können Sie uns über den Prozess und vor allem die Überlegungen dabei aufklären?

In die Entscheidung sind folgende Gedanken mit eingeflossen: Wie sieht der individuelle Wettkampfplan nach der Qualifikation aus? Wie sind die individuellen Platzierungschancen? Wie kann aufgrund der beiden vorangegangen Fragen eine Belastungsgestaltung zwischen den Wettkämpfen aussehen? Wie kann die Ergebnisbilanz des Verbandes optimiert werden? Oliver hatte diese Überlegungen bereits für sich angestellt und daraufhin Florian seinen Platz angeboten. Sicherlich ist so eine Absprache auch nur in einer engen Verbundenheit möglich. Letztendlich ist sie aber logisch. 

Auch Leonie Märtens ist fürs Freiwasserrennen gemeldet, nachdem sie sich über 1500m qualifizierte. Wie kam es dazu und was ist ihr zuzutrauen, nachdem sie länger nicht mehr im Freiwasser antrat?

Die Kriterien von World Aquatics geben es in diesem Jahr her, dass die Aktiven, die über 800m und 1500m Freistil die OQT (Olympic Qualification Time, Anm. d. Red.) unterboten haben, die Startfelder beim Marathonschwimmen ergänzen können. Die Begründung ist einfach: Das IOC hat drei Teilnehmerplätze pro Geschlecht für das Freiwasserschwimmen gestrichen, um die Gesamtteilnehmerzahl bei den Olympischen Spielen im Griff zu behalten. Dies wurde wohl auch bei anderen Sportarten so gemacht. Die Teilnehmer*innen der Rennen über 800m und 1500m Freistil sind nun aber bereits vor Ort und gehören bereits zum Gesamtkontingent. Jede Nation kann über dieses Kriterium seine Teilnehmer*innen auf zwei erhöhen, sollten noch nicht beide Plätze über die Freiwasserqualifikation abgedeckt sein. Die deutschen Frauen konnten in Doha leider keinen weiteren Platz neben Leonie Beck erringen. Damit war der Weg frei für eine Langstreckenqualifikantin. Isabel Gose hat keinerlei Freiwassererfahrung, sodass sie nicht in Frage kam. Leonie Märtens mit ihren Erfahrungen bei den Juniorinnen allerdings schon.

Mit Lukas Märtens, Isabel Gose und Nina Holt haben sich noch drei weitere Aktive aus Ihrer Gruppe für Paris qualifiziert. Wie kriegt man so viele unterschiedliche Rennprofile unter einen Hut vor Ort? 

Aus Magdeburg werden bei diesen Olympischen Spielen insgesamt acht Sportler*innen an den Start gehen. Im Training gibt es immer wieder Überschneidungen der Trainingsinhalte. Aber im Grunde nimmt jede*r einen anderen Weg zum Ziel. Dies erfordert eine gute Trainingsorganisation und ein gutes Team um den einzelnen herum. Dann ist es zu schaffen. Eine besondere Herausforderung stellte dabei Nina dar, die ja erst relativ kurze Zeit in Magdeburg trainiert und ein komplett anderes Anforderungsprofil hat.

Auch Sharon van Rouwendaal aus den Niederlanden und die Australierin Moesha Johnson trainieren in Magdeburg – betreuen Sie beide auch in Paris?

Beide werden durch ihre Trainer aus den Nationalmannschaften nach meinen Programmen trainiert und betreut. Natürlich gibt es auch immer mal wieder einen direkten Austausch und auch mal Einheiten, die ich mit verfolgen kann. Der Austausch mit beiden Nationen war bisher immer sehr positiv. 

Eine Frage noch zum gesamten Schwimmteam des DSV: Wird sich der in Tokio mit den Medaillen von Sarah und Florian Wellbrock begonnene Aufwärtstrend in Paris fortsetzen lassen können?

Ich glaube fest daran. Das Team hat sich seit Tokio überraschend gut verdichtet und wird in Paris seine Erfolge feiern.

 

 

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