Am morgigen Donnerstag beginnen die Deutschen Meisterschaften in Berlin (25. – 28. April), und auf die ersten Höhepunkte muss man im ersten Finalabschnitt (16:30 Uhr im ZDF-Livestream) nicht lange warten. Gleich im allerersten Finale möchte nämlich Kiley Wilhelm von der SG Neukölln für Schlagzeilen sorgen und die Hallenserin Laura Riedemann, die die deutschen Farben bereits bei den Corona-Spielen von Tokio (JPN) 2021 vertrat, als schnellste Rückenschwimmerin im Olympiateam ablösen.
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Die 19-Jährige ist in den USA aufgewachsen und lebte bis zum vergangenen Frühjahr in Charlotte (North Carolina). Da ihre Mutter in Deutschland geboren wurde, bevor die deutsche Großmutter in den Siebzigern zu ihrem Ehemann nach Amerika zog, konnte sich Wilhelm nun für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden, um ihrem Olympiatraum hierzulande nachzujagen. „Ich hatte die Option, für Deutschland zu starten, durch meine enge Bindung zur Oma eigentlich schon lange im Hinterkopf. Vor rund einem Jahr habe ich dann am Flughafen zufällig einen ehemaligen Schwimmer gesprochen, der ebenfalls in den USA geboren wurde, aber für das Heimatland seiner Familie antrat. Ich nahm dieses Gespräch als Zeichen und habe danach sofort beim DSV angefragt, zumal ich damals gerade keinen Zugang zu einem 50-Meter-Becken hatte. Nach ein paar Mails und einem Zoom-Meeting war die Sache dann relativ schnell beschlossen, und einen Monat später bin ich dann auch schon umgezogen.“ Zeitlich flexibel war sie ohnehin, der Start des Studiums in Harvard ist erst auf die Zeit nach Olympia gelegt.
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Kileys zweiter Vorname lautet witzigerweise Berlin, doch das hatte keinen Einfluss auf die Wahl ihres neuen Wohnortes. „Ich habe meine Eltern danach gefragt. Sie meinten, sie mögen diese Stadt halt sehr und auch den Klang meines vollen Namens damit“, so Wilhelm. „Dorthin zu gehen war letztlich die Empfehlung von Bundestrainer Hannes Vitense.“ Längst schwärmt Wilhelm nun von den tollen Möglichkeiten am Berliner Bundesstützpunkt, wo sie mittlerweile sogar mit einer Weltmeisterin trainiert. „Ich habe mir von Angelina Köhler bereits einiges abschauen können. Ich liebe aber die gesamte Gruppe, das sind alles tolle Athlet*innen. Und Lasse Frank ist ein überragender Coach mit einem großen Einfühlvermögen. Ohne sein riesiges Verständnis hätte ich die Herausforderungen eines solchen Wechsels gar nicht meistern können.“
Ihre Bestzeit über 100m Rücken aus dem Vorjahr müsste Wilhelm nun allerdings um gut eine Sekunde verbessern, um die Olympianorm (59,99 Sekunden) zu unterbieten. Die Fortschritte der vergangenen Wochen lassen sie glauben, dass sie das schaffen kann. Auch wenn die Generalprobe vorige Woche wegen einer beim Start verrutschten Badekappe ziemlich daneben ging. „Das ist ein großer Schritt, aber die Zeiten im Training waren zuletzt entsprechend schnell. Ich will ins Olympiateam und hoffe, dass ich eine 59er-Zeit schaffe. Auch Lasse meinte, das wäre möglich.“ Dann hätte sich der ganze Aufwand auch gelohnt.
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Zeiten in dieser Region traut sich aber auch Laura Riedemann inzwischen wieder zu, letzte Woche in Magdeburg schlug sie schon mal nach 1:00,96 Minuten an. Nachdem es nach zwei Trainerwechseln in den letzten beiden Jahren nicht so gut gelaufen war, wird sie in dieser Saison wieder von ihrer früheren Trainerin Heike Gabriel betreut. „Körperlich bin ich wieder gut drauf, jetzt fehlt nur noch ein wenig Sicherheit und Selbstbewusstsein“, meinte Riedemann. Um die neue Rivalin macht sie sich dabei wenig Gedanken: „Ich konzentriere mich nur auf mich und schaue, dass dabei das Optimum herauskommt. Und eigentlich hatte ich nach Tokio ja auch deswegen weitergemacht, um mir den deutschen Rekord zu holen.“ Der steht seit 2009 bei 59,77.
Auch bei den Männern wird es spannend
Bereits seit vielen Jahren tobt der Zweikampf zwischen Ole Braunschweig und Marek Ulrich. In Tokio waren vor drei Jahren sogar beide bei Olympia dabei, dabei war Ulrich als 13. der Schnellere über 100m Rücken und entsprechend auch in der Lagenstaffel im Einsatz. Danach hatte dann aber zumeist der Berliner Braunschweig die Nase vorn und gewann bei den Europameisterschaften 2022 und 2023 internationale Medaillen. Auch unterbot Braunschweig schon bei den Berlin Swim Open am vergangenen Samstag die Olympianorm. Doch verspricht Ulrich für diese DM noch einmal einen heißen Kampf, zuletzt quälte sich der Sportsoldat dafür drei Wochen im Höhentraining in der Sierra Nevada (ESP). „Bei mir lag es sicher auch etwas an der Motivation in den vergangenen Jahren, an Olympia kommt halt nichts anderes heran. Dieses Jahr will ich es aber noch einmal mit aller Konsequenz wissen“, so Ulrich.
Und das möglichst ohne Zittereinlage: Vor Tokio war Ulrich in der Qualifikation nämlich knapp über der Norm geblieben, wurde dann erst mit Verzögerung nach einem dreiwöchigen Trainingslager ohne jede Gewissheit per Einzelfallentscheidung doch noch nominiert, weil er den A-Cut des Weltverbandes unterboten hatte (der diesmal zugleich auch die deutsche Normzeit ist). „Diesmal sollte bitte unbedingt alles gleich glattgehen und eine Zeit unter der Norm herausspringen“, sagte er. Ulrichs in Tokio aufgestellte Bestzeit über 100m (53,54 Sekunden) liegt wie die von Braunschweig (53,47) klar unter der Vorgabe (53,74), doch für den Staffelplatz braucht es immer gleich zwei Topzeiten, da laut Nominierungskriterien hierfür das Mittel aus Vor- und Endlauf herangezogen wird. Ein Fakt, der vielleicht auch einem jungen Herausforderer wie Cornelius Jahn (20/Ahrensburger TSV) in die Karten spielen könnte.
Braunschweig verheimlicht nicht, dass er von einem Olympiafinale in Paris (FRA) träumt, nachdem er bei WM und EM zuletzt bereits Stammgast im Endlauf war. Das würde auch im familieninternen Wettstreit mit seinem Bruder Malte Braunschweig helfen. Der buchte am Dienstag bei der EM in Funchal (POR) das Ticket für Paris und bereitet sich nun auf die Paralympics vor, 2021 hatte er es dort schon ins Finale geschafft. Ein Ziel, von dem auch der große Bruder Ole träumt.