Im Sommer sorgten Lukas Märtens und Isabel Gose mit Gold und Bronze bei den Spielen von Paris für viel Euphorie rund um den Deutschen Schwimm-Verband e.V. (DSV). Wenn mit den Kurzbahn-Weltmeisterschaften in Budapest (HUN/10. – 15. Dezember) die ersten internationalen Titelkämpfe der nacholympischen Saison anstehen, rücken beide nun wieder ins Rampenlicht. Allerdings treten sie in Ungarns Hauptstadt mit völlig unterschiedlichen Erwartungen an.
Goldjunge Märtens sieht die Rennen in der Duna-Arena „nur als Trainingswettkampf“. Neben dem Rennen über „seine“ 400m Freistil sind dabei nur noch zwei Staffeleinsätze geplant. In Topform ist der 22-Jährige nämlich noch lange nicht wieder. Eine Nasen-OP hatte nach dem Urlaub für zusätzliche trainingsfreie Wochen gesorgt, auch wurde noch so mancher PR-Termin wahrgenommen. „Die körperliche Fitness fehlt noch ein bisschen. Es wird Zeit, dass er den Fokus wieder voll auf den Sport ausrichtet,“ sagte Bundestrainer Bernd Berkhahn auf der WM-Pressekonferenz des DSV. Von der WM reist Märtens übrigens einen Tag eher ab, um am finalen Sonntag (15. Dezember) bei der Ehrung von Deutschlands Sportler*innen des Jahres in Baden-Baden dabei sein zu können.
Erneutes Duell mit der Italienerin Simona Quadarella
Gose dagegen ist schon wieder voll im Angriffsmodus. „Ich bin gesundheitlich gut durchgekommen. Im Training läuft es dank Bernd schon wieder ganz gut. Ich freue mich auf Budapest“, meinte die 22-Jährige vom SC Magdeburg. So viel Rummel wie bei Märtens war bei ihr nicht angesagt. Wohl auch deshalb hat sie sich neben den Olympiaringen auf den Oberarm noch „Just keep swimming“ als Sprüchlein auf die Hüfte tätowieren lassen. „Mit Olympiabronze habe ich mir einen Riesenwunsch erfüllt. Aber der Hype war schnell vorbei, inzwischen ist alles wie immer“, meinte Gose.
Aber genau das könnte jetzt zum Vorteil werden. Denn mit Katie Ledecky (USA) ist die Dominatorin auf den Langstrecken in Ungarn nicht dabei, im Kampf gegen Lani Pallister (AUS), die Olympiazweite Anastasia Kirpichnikova (FRA) und Dauerrivalin Simona Quadarella (ITA), die Gose zwar WM-Gold in Katar wegschnappte und in Paris dafür dann leer ausging, ist auch auf der Kurzbahn so einiges möglich. Das weiß auch Gose, die bei der Langbahn-WM im Februar in Doha (QAT) schon dreimal Edelmetall einheimste. Selbstbewusst sagte sie vor der Abreise am Sonntag über ihre Ziele: „Ich will Bestätigung für das, was ich im Sommer erreicht habe.“ Gose jagt nächste WM-Medaille in Budapest: Es wäre schließlich der perfekte Ausklang für ein überaus erfolgreiches Jahr.
Ungewöhnliche Startzeit für Weltrekordler Florian Wellbrock
Seit sechs Jahren schon schwimmt Florian Wellbrock ganz vorn mit in der Weltspitze und gewann dabei auch schon alle großen Titel, die es überhaupt gibt in seinem Sport. Bei den Kurzbahn-Weltmeisterschaften in Budapest (HUN/10. – 15. Dezember) erlebt der 27-Jährige vom SC Magdeburg am kommenden Dienstag trotzdem noch einmal etwas ganz Neues. Nach seinem WM-Rennen über 1500m Freistil wird er als Weltrekordhalter diesmal stundenlang warten müssen, bis er seine finale Platzierung weiß.
>> Startlisten und Ergebnisse der Kurzbahn-WM
Zur Erklärung: Auf den langen Kraulstrecken gibt es bei diesen Kurzbahn-Titelkämpfen keine Vorläufe. Stattdessen werden die Rennen direkt als Entscheidung in verschiedenen Zeitläufen ausgetragen, die nach den jeweiligen Meldezeiten besetzt werden. Nur der jeweils schnellste Lauf mit den Top Acht ist dabei im Finalabschnitt angesetzt, alle anderen Zeitläufe finden schon am Ende des Vormittagsabschnitts statt. Weil Wellbrock im rund eineinhalbjährigen Qualifikationszeitraum wegen der Konzentration auf Olympia kein Kurzbahnrennen geschwommen war und den geplanten Weltcupstart in Singapur Ende Oktober wegen eines Bundeswehr-Pflichttermins für alle Sportsoldat*innen streichen musste, konnte er auf dieser Strecke wie auch Landsmann Sven Schwarz für Budapest nun nur mit seinen Zeiten von der 50m-Bahn gemeldet werden.
Und diese Meldezeit ist über 1500m Freistil fast 30 Sekunden langsamer als sein 2021 beim WM-Triumph aufgestellter Weltrekord von 14:06,88 Minuten. Laut der inzwischen offiziell veröffentlichtene Startliste reicht diese Zeit nicht für die Top Acht der Meldeliste und Wellbrock muss demnach bereits um die Mittagszeit schwimmen.
Vielleicht ist es aber auch gut, dass Wellbrock nicht so viel auf die Konkurrenz schauen muss. Das hat er zuletzt beim Weltcupsieg im Freiwasser in Saudi-Arabien nämlich auch nicht getan, sondern ist einfach allen davon geschwommen. Nach den enttäuschenden Ergebnissen bei den Olympischen Spielen konnte Wellbrock damit allen zeigen, dass weiterhin mit ihm weiter zu rechnen ist. „Flo hat eine relativ lange Pause gemacht. Mit sieben Wochen die längste, die er bisher überhaupt gemacht hat. Danach ist er dann von Tag eins mit hundertzehn Prozent wieder eingestiegen ins Training und hat sehr dolle Gas gegeben in jeder Einheit. Er ist daher in guter Verfassung“, sagte Bundestrainer Bernd Berkhahn auf der WM-Pressekonferenz des DSV.
WM-Zeitplan mit allen DSV-Starts
Es heißt also auch bei dieser Kurzbahn-WM: Wellbrock kann vorn mitmischen. Vollständig aufgearbeitet und abgehakt ist Enttäuschung von Paris aber natürlich noch nicht. Kann sie noch nicht sein. „Das ist überhaupt nicht abzuhaken, was da passiert ist in Paris, das wird niemals abgehakt sein. Das gehört jetzt einfach zu seiner Karriere, und es geht einfach darum, wie geht Flo damit um. Kann er das nutzen, um eine positive Energie daraus zu schöpfen? Ich denke, er ist auf einem sehr guten Weg“, so Berkhahn. Dafür spreche nicht nur der Weltcupsieg in Saudi-Arabien. Auch bei den Landesmeisterschaften von Sachsen-Anhalt in Dessau sei er auf zwei Nebenstrecken bereits persönliche Kurzbahn-Bestzeiten geschwommen.
Alle WM-Rennen im Livestream bei Eurovisionsport
Zu viel will Berkhahn über die Analyse öffentlich aber gar nicht reden, einiges wäre auch gar nicht „so scharf zu identifizieren“. Den Prozess an sich aber empfindet er als positiv und bereichernd. „Das hat uns in unserer Zusammenarbeit noch mal ein bisschen enger zusammengebracht. Nach zehn gemeinsamen Jahren ist das noch mal ein Schritt gewesen. Wir versuchen jetzt, Flo sicherer aufzustellen für kommende Herausforderungen. Dass wir nicht wieder irgendwelche Unsicherheiten haben bei Wettkämpfen. Das ist noch ein weiter Weg.“ Die WM in Budapest dabei aber ein wichtiger Zwischenschritt.
Alle WM-Rennen (Vorläufe ab 09:00 Uhr, Finals ab 17:30 Uhr) sind live bei Eurovisionsport (oder über die gleichnamige App) zu sehen; nach einmaliger Registrierung sind die Wettbewerbe dort kostenfrei verfügbar. Maj-Britt Kott, die auch bei DSV-Veranstaltungen als Sprecherin im Einsatz ist, übernimmt die deutsche Kommentierung im Livestream. Die Ergebnisse gibt es wie gewohnt entweder direkt über die Seite von World Aquatics oder bei Omega Timing.
Das DSV-Team für die Kurzbahn-WM 2024
Frauen: Isabel Gose (SC Magdeburg), Nicole Maier, Nina Sandrine Jazy (beide SG Essen), Nina Holt (SG Mönchengladbach), Julia Mrozinski (SCW Eschborn), Nele Schulze (SG Neukölln Berlin)
Männer: Cedric Büssing, Marius Kusch (beide SG Essen), Ole Braunschweig, Kaii Liam Winkler (beide SG Neukölln Berlin), Lukas Märtens, Florian Wellbrock (beide SC Magdeburg), Sven Schwarz, Martin Wrede (beide Waspo 98 Hannover), Melvin Imoudu (Potsdamer SV), Lucas Matzerath (SG Frankfurt), Rafael Miroslaw (SG HT16 Hamburg), Artem Selin (SC Wiesbaden 1911), Timo Sorgius (SSG Leipzig)