Ole Braunschweigs doppelte Mission bei der Schwimm-DM in Berlin

Ole Braunschweig startet am Donnerstag über 100m Rücken bei der DM ©Jo Kleindl
- 29.04.2025
Im sportlichen Bereich geht es für Ole Braunschweig dieser Tage um viel. Bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin (01. – 04. Mai) möchte sich Deutschlands schnellster Rückenschwimmer nicht nur zum dritten Mal in Folge das Titel-Double über 50m und 100m sichern, sondern sich auch für die Weltmeisterschaften in Singapur (11. Juli – 03. August) qualifizieren.
„Ich versuche, das Bestmögliche aus mir herauszuholen“, meinte der 27-Jährige von der SG Neukölln, dessen Hauptrennen gleich zum DM-Auftakt am Donnerstag ansteht. „Ich dachte im Winter ja lange, der A-Cut würde reichen für ein WM-Ticket. Aber dann kamen im Dezember plötzlich deutlich anspruchsvollere Normzeiten heraus als erwartet.“
Statt 53,94 Sekunden (A-Cut des Weltverbandes) fordert der Deutsche Schwimm-Verband e.V. (DSV) nun 53,50 Sekunden für einen WM-Einzelstart über 100m Rücken. Braunschweig muss also sehr nahe an seine Bestzeit (53,47) herankommen – in einer nacholympischen Saison mit nachvollziehbaren Abstrichen etwa durch nachzuholende Bundeswehrlehrgänge ist das alles andere als selbstverständlich.
Zeitplan und Startlisten der DM
Aufnahme der 50m-Strecken ins Olympiaprogramm motiviert
Ohne Einzelnorm bliebe zwar noch der Umweg über die Lagenstaffel, die die WM-Norm in Summe der Einzelzeiten bereits erfüllt hat. Aber auch hier braucht Braunschweig sicher Topzeiten, um sich als Nummer eins über 100m Rücken der nationalen Konkurrenz zu erwehren. „Die jungen Wilden versuchen schon, auf den Thron zu kommen. Ich habe aber noch genug Biss, meinen Platz zu verteidigen“, sagte Braunschweig mit Blick auch auf seinen Trainingspartner Vincent Passek.
Der 19-Jährige vom Berliner TSC ist in so manchem Training bereits schneller unterwegs, zuletzt auch bei den Wettkämpfen im Vorfeld der DM. Braunschweig meinte dazu aber: „Jungs wie Vincent oder Oskar Schildknechtwerden ihren Weg nach oben sicherlich finden. Aber so schnell will ich nicht aufgeben. Schwimmen macht mir immer noch Spaß. Deswegen habe ich mich entschieden weiterzumachen.“
Die kürzlich getroffene IOC-Entscheidung, die 50m Rücken ab 2028 ins Olympiaprogramm aufzunehmen, sorgt für zusätzlichen Rückenwind. Auch weil Braunschweig die Zugehörigkeit zum DSV-Kader nun auch über den Kurzsprint erreichen kann – und für kommende Saison hier sogar schon erreicht hat. „Die IOC-Entscheidung ist revolutionär und definitiv unterhaltsam für die Fans. Für mich persönlich geht damit sogar ein Traum in Erfüllung. Ich habe nun mal viele schnelle Fasern, tue mich bei der Ausdauer dagegen schwerer. Ich bin bereits deutschen Rekord geschwommen und habe auch EM-Bronze gewonnen über 50 Meter Rücken, das aber immer mit dem Training für die 100 Meter. Ich bin sehr gespannt, was möglich ist, wenn man sich künftig mal voll auf die kurzen Sachen fokussieren kann.“
Aufklärung über Neurodivergenz als Herzensangelegenheit
Abseits des Sportlichen leistet Braunschweig dieser Tage ebenfalls viel. Nicht nur als Aktivensprecher des DSV-Schwimmteams schaut er nämlich gern auch über den Beckenrand hinaus. So unterstützt er gemeinsam mit Weltmeisterin Angelina Köhler („Zusammen lässt sich leichter darüber sprechen“) eine Aufklärungskampagne über Neurodivergenz und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), die aktuell in den Sozialen Medien läuft. Sein eigener Beitrag wird dort ganz bewusst am Tag vor der DM veröffentlicht.
Braunschweig spricht dabei aus eigener Erfahrung, auch bei ihm wurde ADHS diagnostiziert. Schwimmen war für ihn daher immer schon nicht nur Sport, sondern auch Ausgleich. „Ich hatte extreme Probleme in der Schule wegen meiner geringen Aufmerksamkeitsspanne und hyperaktiver Schübe. Es gab viele Einträge ins Muttiheft, ständig offene Knie oder Ellenbogen“, so Braunschweig. „Es ist mir wichtig, darüber aufzuklären, dass das nichts Schlimmes ist. Im Gegenteil: Wenn man es dann halbwegs im Griff hat und der Fokus steht, ist damit viel Gutes möglich. Ich möchte die Gesellschaft aufklären und aufrufen, ADHS nicht mehr als ,Krankheit‘ zu sehen – sondern als eine andere Art zu denken, zu fühlen, zu sein.“
Anschaulich beschrieb zuvor auch Angelina Köhler ihr Anliegen bei der Kampagne. „Die ADHS ist für mich wie eine Medaille: Es gibt immer zwei Seiten. Manchmal weiß ich nicht weiter. Und dann gibt es Momente, in denen ich komplett in meinem Hyperfokus aufgehe und sich alles ganz leicht anfühlt.“ So einen Moment wünscht sie sich während der DM. Und noch mehr als für sich, da sie ja für die WM als Titelverteidigerin bereits fest gesetzt ist, auch wieder ihrem Kumpel Ole Braunschweig.