Diese acht Belastungszonen sollte jeder Coach präzise einsetzen können
- 21.03.2025
Hinter den Erfolgen von Schwimmer*innen wie Lukas Märtens, Florian Wellbrock, Oliver Klemet oder Isabel Gose steckt bekanntlich viel Trainingsfleiß, aber auch sehr viel wissenschaftliches Know-how. Seit Jahren arbeitet Bundestrainer Bernd Berkhahn eng mit dem Sportwissenschaftler Dr. Alexander Törpel zusammen. Als Bundestrainer Diagnostik beim Deutschen Schwimm-Verband e.V. (DSV) setzt sich Törpel seit 2019 dafür ein, dass das Wissen aus dem Hochleistungssport breiter gestreut wird sowie der wechselseitige Transfer zwischen Praxis und Wissenschaft erfolgt. Mit dem Beginn des neuen Olympiazyklus wird von ihm aktuell besonders das Thema der individuell präzisen Steuerung der Trainingsintensität samt dem dazugehörigen Belastungs- und Beanspruchungsmanagement fokussiert. Zu diesem Thema ist er mit den Coaches im Spitzenbereich seit Saisonbeginn sehr viel im Austausch. Bei der Jahrestagung der Deutschen Schwimm-Trainer-Vereinigung (DSTV) wird es auch einen Workshop dazu geben. Die genaue Steuerung von Trainingsintensitäten und die damit verbundene Definition von Belastungszonen bzw. Trainingszonen soll helfen, das Training effektiver zu gestalten und Leistungsreserven gezielt zu erschließen. Besonders im Hochleistungsbereich kann die individualisierte Steuerung der Belastung und Beanspruchung den entscheidenden Unterschied machen, um das letzte Prozent auch noch herauszukitzeln. Was sind Belastungszonen und warum sind sie wichtig? Um Training zu steuern und damit die gewünschten Anpassungen im Körper optimal zu erzielen, wird die Intensität in verschiedene Zonen unterteilt – sogenannte Belastungs- bzw. Trainingszonen. Diese Zonen können anhand von unterschiedlichen Parametern zueinander abgegrenzt werden. Dies kann anhand folgender Parameter erfolgen:
- Messbare Faktoren: Herzfrequenz, Blutlaktatkonzentration, Sauerstoffaufnahme – als jeweilige Indikatoren für die kardiale, metabolische und ventilatorische Beanspruchung
- Subjektives Empfinden: Wie anstrengend fühlt sich das Training an, wiedergegeben anhand der sogenannten RPE-Skala (engl. für „rating of perceived exertion“, Skala von 0-10)? Vorteil dieser subjektiven Rückmeldung ist, dass auch aktuelle Lebensumstände (z.B. Schlafmangel, Prüfungsstress) in die Bewertung mit einfließen. Da diese Faktoren einen unmittelbaren Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit haben können, kann dadurch eine übergeordnete Bewertung des aktuellen Zustandes der Beanspruchung erfolgen.
- Schwimmgeschwindigkeit (v): Gibt an, mit welcher Geschwindigkeit die jeweilige Belastungszone trainiert wird. Diese steht natürlich in Abhängigkeit der Dauer oder auch Streckenlänge.
- Trainingsmethoden & Intensitätssteuerung: Natürlich muss eine zur gewünschten Intensität passende Methode gewählt werden. In den höheren Belastungszonen (>BZ5) ist die Intensitätssteuerung über belastungsorientierte Vorgaben besser, in den unteren Zonen (?BZ5) über die beanspruchungsorientierten Parameter (siehe die grauen Keile rechts von Tabelle 1).
- Blutlaktatkonzentration (bLa): Beschreibt den Anteil von Laktat im Organismus.
- Aerobe Schwelle (LT1): Punkt, an dem Laktatbildung leicht ansteigt – moderate Beanspruchung.
- Anaerobe Schwelle (LT2): Punkt, an dem Laktatbildung und -abbau ausgeglichen sind – höhere Beanspruchung.
- Anstrengungsempfinden (RPE-Skala): Subjektives Gefühl der Belastung – hilfreich, um Trainingsintensität individuell zu steuern.
- VO2MAX: Der Wert gibt an, wie viel Sauerstoff ein Mensch maximal verwerten kann und definiert die Ausdauerleistungsfähigkeit. Die Beanspruchung der VO2MAX ist eine etablierte Größe im Ausdauersport zur Darstellung von Intensität und wird auch im Schwimmsport immer mehr eingesetzt.
Erklärungen zu Tabelle 2:
A/An: Gibt die Reizwirksamkeit der Trainingsmethode und der Belastungszone auf das aerobe oder anaerobe System an.
tReg: Gibt an, wieviel Zeit bis zur vollständigen Regeneration nach einem Training innerhalb dieser Belastungszone vergeht. Dies steht jedoch auch in Abhängigkeit der Dauer des Trainings innerhalb der Belastungszonen, weshalb die angegebenen Zeiten eher der ersten Orientierung dienen.
Beispiel 1-4: Mögliche Sets für das Training, passend zur Hauptstreckenlänge und zum Trainingszustand insgesamt. Von links nach rechts mit zunehmender Teilstreckenlänge.
Sets mit Abstufung: Trainingssets können nicht nur einheitlich innerhalb einer Belastungszone gestaltet werden, sondern auch über mehrere Belastungszonen – abgestuft. Entsprechende Beispiele sind im rechten Abschnitt der Tabelle gegeben.. Eine Beispielerklärung dafür steht unter der Tabelle selbst.
Fazit: Wissen nutzen für besseres Training
Die aktualisierte Definition der Belastungszonen liefert eine wertvolle Orientierung für Trainer*innen und Athlet*innen. Sie hilft, Trainingsreize gezielter zu setzen und vergrößert damit auch den kreativen Gestaltungsraum bei der Trainingsplanung. Die Einteilung ist laut Törpel keine starre Vorgabe, sondern soll vor allem als Denkanstoß und Diskussionsgrundlage dienen. „Wir wollen niemand bekehren damit. Sondern einfach den Impuls setzen zu überprüfen, ob das Training auch immer reizwirksam genug ist. Natürlich gibt es auch viele erfolgreiche Trainer*innen mit feinem Gespür, die ihre Aktiven mit ihrem Ansatz der Intensitätssteuerung und ihrer Definition von Trainingszonen entwickeln können. Uns geht es darum, eine einheitliche und zeitgemäße Orientierung zu geben die Belastung genau zu akzentuieren und auch zu differenzieren, damit das beste Ergebnis erzielt werden kann. Dabei hilft unsere aktuelle Definition auf jeden Fall.“