Lukas Märtens über Florian Wellbrock: „Wir profitieren riesig voneinander“

©Ronny Hartmann

m Frühjahr ließ Lukas Märtens gleich mehrfach mit absoluten Spitzenzeiten aufhorchen, der 20-Jährige vom SC Magdeburg gehört damit zu den Hoffnungsträgern des Deutschen Schwimm-Verbandes e.V. (DSV) bei den Weltmeisterschaften in Budapest (HUN/18. Juni – 03. Juli 2022). Vor dem Abflug am Mittwoch sprach Märtens nun über seine Erwartungen an die Wettkämpfe in Ungarn. Herr Märtens, wissen Sie, wer zuletzt über 400m Freistil schneller geschwommen ist als Sie? Lukas Märtens: Ja, ich habe mir mal die Namen durchgelesen, die schneller waren als ich. Zuletzt war das wohl der WM-Sieger von 2017 (Sun Yang aus China, d.Red.).
Sie führen vor der Weltmeisterschaft in Budapest die Weltjahresbestenliste über 400m, 800m und 1500m Freistil an. Sind Sie damit automatisch auch der Favorit?
Nein, als Favorit sehe ich mich nicht. Ich bin noch sehr jung und unerfahren auf internationalen Wettkämpfen, auch wenn ich bereits bei den Olympischen Spielen und bei der Kurzbahn-WM am Start gewesen bin. Aber so viel wie die meisten meiner Konkurrenten habe ich noch nicht erlebt. 
Die Erwartungen haben Sie mit Ihren Superzeiten in die Höhe getrieben. Müssen Sie sich gegen diese Erwartungen von außen ein bisschen schützen?
Das nicht. Ich finde es ja sehr gut, dass ich diese Zeiten schon angeboten habe. Ich mache mir persönlich überhaupt keinen Druck und habe bis jetzt auch noch keinen Druck von außen gespürt. 
Welche der Strecken ist denn Ihre liebste?
Die 400m Freistil. Aber die 800m Freistil liegen mir auch sehr gut. Diese Distanz wird immer populärer (nachdem sie in Tokio erstmals olympisch war, Anm. der Red.).
Haben Sie damit gerechnet, dass Sie so explodieren, dass Sie solche Superzeiten schwimmen? Über 800m Freistil haben Sie ja Florian Wellbrock sogar den deutschen Rekord entrissen.
Nicht wirklich. Ich fühlte mich in Topform und wusste, dass ich die Konkurrenz ärgern kann, aber eine solche Steigerung habe ich dann doch nicht erwartet. Als ich in Stockholm meine Siegerzeit gesehen habe, dachte ich, es wäre ein Fehler an der Anzeigetafel. Ich habe gespürt, dass ich schnell unterwegs und meine Gegner ein gutes Stück hinter mir lagen, doch eine Zeit von 3:41 Minuten hatte ich nicht auf dem Zettel. 
Wer den Namen Lukas Märtens googelt, findet schnell den Begriff „Kronprinz“, weil sie der Trainingskollege von Olympiasieger und Weltmeister Florian Wellbrock sind. Was können Sie mit diesem Begriff anfangen? Nicht so viel. Ich bin noch nicht in der Rolle, dass ich große Erfolge aufzuweisen habe. Ich will mich weiter entwickeln und hoffe natürlich, dass es weiter nach oben geht. Ich gehe alles Schritt für Schritt an. Ich möchte meine Vorleistungen bei der WM bestätigen. Es wäre super, wenn ich diese Zeiten nochmal schwimmen könnte. Dann kann man auch von Medaillen sprechen.
Eine WM-Medaille zu gewinnen ist also Ihr Ziel?
Das ist schwierig zu sagen. Ich bin jemand, der wie gesagt alles Schritt für Schritt angeht. Das heißt, ich muss zunächst einmal ins Finale kommen. Mit meinen Zeiten aus den vergangenen Wochen muss ich mich nicht verstecken. 
Sie trainieren Tag für Tag mit Florian Wellbrock. Welches Verhältnis haben Sie zueinander? Ein sehr gutes. Wir trainieren seit fünf Jahren zusammen. Ich schaue mir jeden Tag an, was er macht. Er blickt sicherlich auch zu mir. Wir profitieren riesig voneinander. Gestritten haben wir uns noch nie. Keiner ist neidisch den anderen.
Sie sind Trainingskollegen und Konkurrenten. Kann man das eine vom anderen trennen? Immerhin haben Sie ihm schon den deutschen Rekord über 800m Freistil weggenommen.
Das kann man. Wir haben damit keine Probleme. Wir pushen uns natürlich gegenseitig. Das ist besonders wichtig, wenn es bei einem nicht ganz so gut läuft. Ich kann von ihm noch sehr viel lernen. Vor allem, wie man taktisch schwimmt. Da fehlt mir noch ein wenig die Erfahrung.
Sie haben noch eine weitere Gemeinsamkeit mit Florian Wellbrock. Sie haben mit Isabel Gose auch die Lebenspartnerin in der Trainingsgruppe. Wirkt sich das positiv aus?
Definitiv. Beim Wettkampf schaut jeder mehr auf sich. Aber es ist super zu wissen, dass tagtäglich sie für mich und ich für sie da bin. Das hilft ungemein. Aber es ist nicht so, dass wir den ganzen Tag nur über das Schwimmen reden. 
Was zeichnet Ihren Trainer Bernd Berkhahn aus?
Er legt sehr viel Wert auf Disziplin und ist darauf bedacht, dass wir alles geben. Er sorgt dafür, dass wir alles aus uns herausholen. Wenn einer aus der Reihe tanzt, sieht er das nicht so gerne. Und anders funktioniert es auch nicht. Er ist ein sehr, sehr guter Trainer, von dem ich jeden Tag viel lerne. Ich kann mir keinen besseren vorstellen.
Mit Mykhailo Romanchuk haben Sie jetzt auch noch einen neuen Trainingspartner aus der Ukraine. Wie funktioniert das, wenn man mit einem Konkurrenten trainiert, der immerhin bei Olympia über 1500m Freistil Silber vor Florian Wellbrock geholt hat?
Das funktioniert sehr gut. Wir unterhalten uns auf Englisch. Er ist ja unheimlich erfahren. Es macht großen Spaß mit ihm und wir können auch viel von ihm lernen.
Unterhalten Sie sich auch über den Krieg in seiner Heimat? Sein Vater ist in der ukrainischen Armee im Einsatz. Wir haben uns am Anfang des Krieges über die Lage dort unterhalten. Jetzt ist es weniger geworden. Wir wollen ihn auch nicht zu sehr damit belasten.
Ihr großes Ziel ist sicherlich Olympia 2024 in Paris. Dann sind Sie im besten Alter. So ist es. Darauf freue ich mich, vorher habe ich noch einige andere wichtige Wettkämpfe wie jetzt die WM in Budapest und die EM in Rom oder nächstes Jahr die Titelkämpfe in Japan. Ich will meinen Weg weiter gehen und mich kontinuierlich steigern.
Will der Kronprinz 2024 in Paris dann auf dem Thron sitzen? Das wäre schön. Aber ich habe auch nach 2024 noch Ziele. Ich bin noch jung und werde hoffentlich auch noch 2028 in Los Angeles an den Start gehen.
Ist denn wie bei Florian Wellbrock ein Ausflug zum Freiwasserschwimmen ein Thema für Sie?
In diesem Jahr definitiv nicht, doch im nächsten Jahr könnte ich mir einen Test im Freiwasser durchaus vorstellen. Das Interview führte Thomas Lelgemann

Diesen Artikel teilen

Weitere News